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Freitag, 23. September 2011

Ein Ausschnitt aus der ersten Geschichte - Jule -


Hoffentlich ist er heut zu besoffen, um noch mal die Treppe zu erklimmen. Hoffentlich bleibt er da unten liegen. Hoffentlich bricht er sich das Genick. Hoffentlich erstickt er an seinem Ekel.
Susanne erschrak. Wünschte sie sich das wirklich?! Ja, nein, ja!! Sofort ergriff sie wieder dieses Schuldgefühl. Dasselbe Gefühl, das sie hatte, wenn er schnaufend auf ihr lag. Plötzlich waren da die schweren Schritte auf der Treppe. Stufe für Stufe knarrte. Jetzt bloß weg hier. Wohin? Weg! Dröhnen im Kopf. Susanne lag im Bett und konnte sich nicht rühren. Schrei jetzt! Schrei!! Niemand wird dich hören. Und die dich hört, reagiert nicht. Ist taub, nicht wirklich, aber dafür. Die Klinke wird gedrückt. Endlich der Schrei!!
Susanne sitzt im Bett, nass und heiß fröstelnd. Da ist kein Atem mehr, nur ein zischender Blasebalg.
  Peter taumelt von seinem Kissen hoch.
„Mann, ich muss um fünf raus und du plärrst schon wieder die ganze Nachbarschaft zusammen!“
Sie schmiegte sich zitternd an ihn.
„Lass mich jetzt wenigstens noch ´ne Stunde pennen!“
Wieder allein auf dem Kissen.
„Verzeih!“
Susanne nahm ihr Bettzeug und ging ins Wohnzimmer.
„Schlaf schön mein Schatz.“ Peter brummte nur.
Sie hörte am Zimmer von Jule. Kein Geräusch, sie schlief.
Jule, was bekommt sie von all dem mit?
  Das Sofa war kalt. Susanne war kalt. Alles war kalt - wie immer.
Von Zeit zu Zeit beklagte sich Peter.
„Du bist ja gar nicht richtig feucht. Da reibt man sich ja das Ding wund!“
Auch ihr tat es weh. Aber darum ging es nicht. Um Susanne ging es nie. Das es sie überhaupt gab, fiel immer nur auf, wenn irgendetwas nicht richtig funktionierte; wenn sie nicht richtig funktionierte. Morgen ging sie wieder zum Therapeuten. Auch er wollte Susanne zum Funktionieren bringen. Aber warum muss man dann in dieser ganzen Scheiße wieder herum rühren? Sie hatte sogar ein Kind geboren, also funktionierte sie doch. Als Mutter ohnehin. Susanne war die perfekte Mutter. Nein sie war perfekter als perfekt. Das wusste sie ganz genau.
Jule wuchs behütet auf. Sie würde so etwas nie erleben. Dafür sorgte Susanne schon. Die Löwin hatte Krallen und scharfe Zähne. Da sollte nur einer kommen! Im Halbschlaf nahm sie die Klospülung war, dann die Tür.
Jetzt begann ihr Tag – ihr Tag mit Jule. Das war ein sich ständig wiederholendes Ritual: Kaffee, Zigarette, Frühstück machen, Jule wecken.
„Guten morgen mein Liebling.“
Brummen.
„Das Frühstück ist fertig.“
„Fuck!“
Die Tonlage wechselte von Dur ganz leicht nach Moll.
„Du kommst zu spät!“
„Na und!“
Das Rollo rasselte und schüttete eine Ladung grelles Licht auf Jule.

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