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Sonntag, 13. November 2011

"Jule" Teil 2


„Oh man.“ Kissen über den Kopf.
Nach einer Ewigkeit erschien ein zerzaustes, mürrisches Gesicht in der Küche. Aber diese Ewigkeit hatte Susanne längst mit eingeplant. Sie plante immer alles ein. Sie war auf alle Eventualitäten vorbereitet – auf fast alle. Diese Nächte musste sie noch in den Griff bekommen. Irgendwelche Pillen werden schon helfen.
„Oh Mama, du rauchst schon wieder wie ein Schlot!“
Ja, da war noch etwas, was Susanne in den Griff bekommen musste. Auch Peter beschwerte sich über ihren Atem. Aber der Dunst war eine ihrer letzten Bastionen. Das schaffte sie auch noch. Sie schaffte alles!
  Jule an der Schule absetzen und dann zu diesem Psycho-Menschen. Ein komischer Kauz war das. Wie konnte man nur davon leben, anderen im Seelenquark herum zu rühren!? Bestimmt war das so ein verklemmter Voyeur, der sich nur zu fein war hinter einem Busch zu lauern. Außer dem war er ein Mann. Warum hatte man ihr nicht eine Frau gegeben? Aber im Krankenhaus sagten sie, dass Susanne froh sein konnte überhaupt so kurzfristig einen Therapeuten zu bekommen.
„Guten Tag Frau Liebig.“
Sein breites Grinsen erinnerte Susanne immer an einen Frosch. Wenn sie sich, auf dem weichen Sessel, zu sehr in die Enge getrieben fühlte, rettete sie sich manchmal in die Vorstellung, wie er durch das Zimmer hüpfte.
„Beim letzten Mal waren wir bei ihrem Verhältnis zur Mutter. Wollen wir da weiter machen?“
Von wollen konnte ja wohl keine Rede sein. Trotzdem hörte sich Susanne sagen:
„Ja.“
Sie sagte immer ja. Auch wenn sie nein dachte. Was nun folgte war auch so eine Art Ritual. Der Jäger versuchte sein Wild zu erlegen. Dazu musste er es irgendwie in die Enge treiben. Bisher konnte Susanne ihm fast immer geschickt ausweichen. Sie hatte in ihrem Leben gelernt, wie man Haken schlägt, Halbwahrheiten oder Lügen zu Wahrheiten umfunktioniert und wenn es ganz eng wird, einfach abschaltet. Irgendwie hatte das immer funktioniert. In letzter Zeit wurde der Kreis um sie allerdings immer kleiner. Ihr war, als ob da sich da etwas in ihr, mit dem Mann gegenüber verbündete. Und so entstand ein Zweifronten-Krieg. Das wurde zunehmend gefährlicher.
Auch diesmal rettete sie wieder sein Blick auf die Uhr.
„Tja, unsere Zeit ist fast um.“
Erleichterung.
„Na dann bis zum nächsten Mal. Alles Gute.“
Im Treppenhaus konnte Susanne langsam ihren Herzschlag beruhigen. Wieder eine Woche weiter.
„Suse, auch das schaffst du!“
  Nun musste sie nur noch das Wochenende überstehen. Sie waren zum Geburtstag bei Ihrem Vater eingeladen. Eigentlich nicht wirklich eingeladen, aber das war auch so ein ungeschriebenes Gesetz. Die „Familie“ traf sich zu solchen Anlässen. Und niemand durfte fehlen. Vielleicht fiel ihr ja noch eine passende Ausrede ein. Eine für ihre Eltern fiel ihr schon ein. Aber eine, die die kleine Susanne in ihr akzeptierte, war schon schwerer zu finden. Eine merkwürdige Mischung aus Hass, Ekel, Liebe, Schuld und sich irgendwie verantwortlich fühlen. Wofür, wusste sie nicht wirklich. Es war halt so.
Bis dahin waren es aber noch zwei Tage, und die wollte Susanne in vollen Zügen genießen.
Jetzt war da erst mal der Haushalt. Ihre Beiden hatten die Wohnung mehr als ein Schlachtfeld hinterlassen. Aber das akzeptierte Susanne. Immerhin ging Peter arbeiten und Jule zur Schule. Da konnten sie sich nicht um alles kümmern. Und außerdem war sie ja dafür da. So wie ihre Mutter dafür da war und tausende Mütter auf der Welt dafür da waren und sind.

Samstag, 12. November 2011

Gedanken

Nach einer kurzen Denkpause (sorry, die hab ich einfach gebraucht) setze ich in den nächsten Tagen die Geschichte "Jule" aus dem Buch "RAUS - Geschichten aus der Geschützten Abteilung" fort.

Samstag, 22. Oktober 2011

Hier noch mal was zum Thema Kindermund


Bohrende Fragen


Maamaa!! Mamma!! Der blöde Rico hat gesagt, ich wurde gar nicht gedownloadet, sondern du hast mich gebohrt! Stimmt das!!
Zinggggg …! Jeder, der Kinder in diesem süßen Alter bei sich hatte, kennt diese oder eine ähnliche Situation. Irgendwann kommt sie, die Frage aller Fragen. Und unsere Mama war auch keineswegs unvorbereitet. Sie wusste genau, dass solche grundlegenden Erkenntnisse immer von den Mamas abgefragt werden. Sollte die Frage nach der Herkunft der Kinder, denn genau darum geht es ja dabei, einmal bei Papa landen, dann werden die Kleinen mit einem gutväterlichen: „Frag das mal die Mama Schatz. Die kennt sich mit solchen Sachen besser aus!“ weiter verwiesen.
Wie gesagt, unsere Mama war eigentlich ganz gut vorbereitet. In ihrem Nachtschrank lagen die Bücher mit den Blümchen, den Bienen und Schmetterlingen und natürlich noch der Bestseller: „Bei uns auf dem Bauernhof“.
Aber zwischen der passenden Fachliteratur zu diesem Thema und dem Eingang des Kindergartens, vor dem sie Marie jetzt abholte, lagen noch fast 20 Minuten Weg. Also konnte die Taktik nur heißen: Vertrösten, bis später!
„Ach Mariechen, das können wir doch später zu Hause besprechen. Erzähl mal, was ihr heut so gemacht habt.“
Das Mariechen setzte einen Fuß nach vorn, stemmte die Hände in die Hüften und setzte einen Blick auf, bei dem Mama genau wusste: „Vergiss es, ganz schnell!“
Da half nur, sich dem Thema zu stellen. Dieser dämliche Rico, konnte einem aber auch alles vermasseln. Typisch Mann! Sie hatte zwar auch so ein Exemplar dieser Gattung zu Haus auf dem Sofa sitzen, und war deshalb durchaus nicht unerfahren mit deren Macken. Dass allerdings der geschlechtsspezifische Schwachsinn dieser Spezies schon in so jungen Jahren so deutlich zum Ausdruck kommt, war ihr dann doch neu.
Also, ran an den Speck. Sie überlegte noch kurz, mit welchem Gleichnis sie das anfangen sollte. Bienchen und Schweinchen schieden im Moment erst mal aus. Aber Marie hatte ihr ja mit der „Download-Theorie“ eine Steilvorlage gegeben. Warum sollte man der Computer-Generation nicht auf dieser Ebene begegnen!?
„Ja weißt du Schatz, das ist so.“ Marie schaute erwartungsvoll nach oben. 
„Die Mamas haben hier im Bauch so eine Art Speicher.“
„Flash oder Festplatte?“ krähte Marie zurück.
Oh je, jetzt kamen auch noch die Fachfragen.
„Also das ist mehr so eine Festplatte. Da sind schon einige Daten drauf. Aber die fehlenden Dateien sind noch beim Papa. Wenn dann aber alle Daten zusammen sind, werden es immer mehr. Und wenn es so viele sind, dass ein richtiges Mariechen daraus werden kann, ist nicht genug Platz auf der Festplatte und das Mariechen kommt raus.“
Gerade wollte Mama beschreiben, wie das mit dem Rauskommen vonstatten geht, auf diesem Gebiet fühlte sie sich relativ sicher; schoss Marie mit einer Frage vor, die auch diese Pläne zunichte machten.
„Aber wie kommen denn die Daten vom Papa auf deine Festplatte?“
Genau das hatte Mama befürchtet. Die heikelste Angelegenheit musste auch noch ohne Aufklärungsliteratur bewältigt werden.
„Na ja, der Papa, der hat da so eine Art USB-Stick. Den muss er anstecken und dann fließen die Daten.“
Mamas Blick wird mit einem Mal ganz verträumt:
„Und früher hatte er noch das schön langsame USB 1.1“.
Und dann plötzlich ganz ernst:
„Heute bei dem 3.0 dauert das Ganze ja nicht einmal mehr eine Minute!“
Mariechen war immer noch neugierig:
„Muss der Papa da nicht aufpassen, dass er keinen Virus bekommt?“
Mama streckt sich resolut:
„Ja, ja, da muss der Papa schon aufpassen, dass er sich nicht irgendwo einen Virus holt!“

Der Rest des Weges verging dann in einer intensiven Diskussion darüber, ob das Ganze nicht besser per W-Lan oder Bluetooth erledigt werden sollte.

Sonntag, 16. Oktober 2011

Eine Bank aus Kinder-Perspektive

Reitender Bote

In der vergangenen Woche hatte ich Besuch, den Besuch schlechthin. Wirbelwind Alina war da. Das ist das Fest schlechthin. Sie mischt den Laden bei uns immer richtig auf. Und sie hat mit ihren acht Jahren auch schon genaue Vorstellungen von dem, was da so abgehen muss. Ihre Eltern führen ein sehr strenges Regime, was Geschenke betrifft. Und doch gelingt es mir ab und zu, dieses Regelwerk zu unterlaufen. Immerhin habe ich erreicht, dass die Kleine über ein eigenes Konto, natürlich von Mama geführt, verfügt. Und so mache ich mir auch immer mal wieder den Spaß, da etwas einzuzahlen. Aber Alina möchte natürlich auch selbst diese komplizierten banktechnischen Vorgänge ausprobieren.
Diesmal hatten wir das Ganze in einen kleinen Flohmarkt verpackt. Alinchen brachte einige Sachen mit, die für ihr jetzt schon sehr fortgeschrittenes Alter schon zu kindisch geworden waren; natürlich mir ausdrücklicher Billigung und Genehmigung von Mama und Papa.
Also bauten wir im Garten aus meinem Tapeziertisch einen kleinen Verkaufsstand auf. Alina verteilte ihre Sachen, Puppen und vor allem kaum noch als solche erkennbare Bücher, gleichmäßig darauf. Natürlich bestand ihre Kundschaft hauptsächlich aus meiner Person. Aber das tat dem Spaß daran keinen Abbruch.
So kamen im Laufe des Nachmittags stolze 15 Euro und 35 Cent zusammen. Alina war, wie gesagt, in materiellen Dingen sehr sparsam erzogen worden; und wollte das Geld sofort auf ihr Konto einzahlen. Nur mit Mühe konnte ich sie schließlich davon überzeugen, dass zu dieser fortgeschrittenen Stunde, die Bankangestellten ihren wohlverdienten Feierabend verlebten.
Am nächsten Morgen zogen wir sofort los. Pünktlich zur Schalteröffnung standen zwei potentielle Großkunden erwartungsvoll vor der Bank mit dem gleichen Zeichen über dem Eingang, wie die, bei der Alina das Konto hatte. Natürlich war es eine andere Filiale in einer anderen Stadt; aber sie sah der zum Verwechseln ähnlich. Auch die darin wuselnden Menschen schienen alle die gleichen Eltern gehabt zu haben.
Am Schalter begrüßte uns eine dauerlächelnde Dame. Oder nein, sie begrüßte eigentlich nur mich. Das kleinere Menschenkind an meiner Seite übersah sie mal geflissentlich. Dabei war es doch gerade sie, um deren Geld es ging.
„Die junge Dame an meiner Seite möchte Geld auf ihr Konto einzahlen.“
„Natürlich, auf dem Tisch liegen Einzahlungsformulare. Die müssen sie nur ausfüllen.“
„Aber da steht doch überall ihre Bankleitzahl drauf. Alina hat ihr Konto bei einer anderen Filiale.“
Die Stirn der Bankangestellten verursachte mehrere Wellenberge.
„Dann zahlen sie das Geld doch einfach dort ein.“
„Das sind gut 250 Km Entfernung, und wir wollten das Geld sofort einzahlen!“
Jetzt kam mit dem gewohnten Dauerlächeln: „Dann überweisen sie es doch einfach.“
Alina verfolgte unseren Dialog mit einer riesigen Portion Unverständnis. Sie wollte einfach nur ihr verdientes Geld einzahlen und konnte überhaupt nicht begreifen, wo da das Problem lag. Jetzt war sie es, die ihre Stirn krauste.
„Sie wollen uns also sagen, dass wir das Geld hier nicht einzahlen können!“
So langsam wurde mein Ton ärgerlicher.
„Doch, aber das kostet eine kleine Gebühr.“ Dieser Satz war ihr sichtlich unangenehm.
„Wie hoch wäre die denn?“
„10 Euro.“
„Was!“ entfuhr es mir. „Das sind ja 2 Drittel der Gesamtsumme!“
„Ja, wir haben mit dem Bargeldverkehr auch einen erhöhten Aufwand.“
Das Lächeln im Gesicht war plötzlich gefroren.
„Welchen denn?“
„Entschuldigen Sie, wollen Sie das Geld nun einzahlen oder nicht. Hinter ihnen bildet sich bereits eine Schlange mit Menschen, die wahrscheinlich genau wissen, was sie hier tun wollen.“
Ich setzte gerade zu einer gepfefferten Antwort an; da zog mich Alina am Arm und vom Schalter weg. Aus den Augenwinkeln sah ich noch, wie sich das Lächeln dem nächsten Kunden zuwendete.
Ich schaute in ein Gesicht, dass mir sagte: „Bitte, bitte, lass uns das Geld einzahlen!“ Jetzt begriff ich, dass es Alina nicht in erster Linie um die Summe sondern um den Vorgang ging.
Schweren Herzens nickte ich und wir stellten uns wieder an der Schlange an. Als wir dann an der Reihe waren, reichte uns die Bankdame wortlos einen Einzahlschein; ich füllte ihn aus und legte das Geld dazu. Als ich dann sofort  zum Ausgang stürmen wollte, hielten mich zwei kleine Mädchenhände sehr bestimmt davon am. Wir blieben mitten im Schalterraum stehen und irgendetwas in mir entschied sich gerade, keinen weiteren Widerstand mehr zu leisten. Alinas Blick hing wie gebannt an dem Ort, wo nach wie vor das eingezahlte Geld zu vermuten war. Nach einigen Augenblicken kam ein junger Mann hinter dem Tresen hervor. In seiner Rechten baumelte ein kleines Täschchen, das mit einer Kette am Armgelenk befestigt war.
Wieder wurde ich am Ärmel gezogen. Diesmal folgte ich allerdings nicht mehr so unwillig. Die ganze Angelegenheit hatte mich neugierig gemacht. Der junge Mann ging durch einen langen Gang und wir zwei folgten ihm mehr oder weniger unauffällig. Wahrscheinlich betraten wir gerade unerlaubtes Terrain oder begingen sogar einen Hausfriedensbruch. Aber im Moment hielt uns niemand davon ab. Am Ende des Ganges war eine Tür. Der Bankenmensch öffnete sie offensichtlich mit Hilfe eines elektronischen Schlosses und sie fiel auch sofort wieder zu. Dieser Augenblick genügte allerdings, einen Schwall Außenluft hinein zu schieben. Und es war wohl wirklich Außenluft. Sie war mit einem Duft vermischt, den man hier wohl am Wenigsten vermuten würde. Es roch schlicht und ergreifend nach Pferdestall. Wir sahen uns verwundert an. Glücklicherweise gab es unmittelbar neben der Tür ein kleines dick verglastes Fenster. Wie durch ein Bullauge schauten dann zwei Augenpaare auf eine bizarre Welt.
In mehreren Boxen nebeneinander standen die wunderbarsten Reitpferde. Sie waren alle frisch gestriegelt und ihr Fell glänzte in der Sonne.
Unser Mann war inzwischen auf eine der Boxen zugegangen und sprach mit einem dort wartenden anderen jungen Typen in Reituniform. Die kleine Tasche wechselte mit Hilfe von mehreren Schlüsseln den Besitzer.
Der Reitersmann legte einem feurigen Araber den Sattel über und befestigte daran noch die Tasche. Schon im nächsten Augenblick schwang er sich mit elegantem Schwung auf den Hengst und sprengte im gestreckten Galopp davon
Alina tippte mich an und nickte. „Kapierst du jetzt?!“
Ja, ich kapierte und im Stillen musste ich der Lächel-Dame Abbitte leisten.
Das war also der erhöhte Aufwand. Mein Gott, dafür waren ja die 10 Euro durchaus angemessen; man könnte sogar sagen ziemlich preiswert.
Die Heimfahrt verlief einer wissenden Stille. Wir waren alle beide um eine große Erfahrung reicher.
Nur in mir geisterte ein Gedanke. Sollte man den Bankleuten vielleicht sagen, dass es mittlerweile solch neumodische Erfindungen wie Computer oder Internet gab?

Andererseits war es natürlich auch wunderbar, wie sehr da an alten Traditionen festgehalten wurde.

Es gab sie also doch, die heile Welt!

Sonntag, 9. Oktober 2011

Lebenszeichen

Im Moment stocken die Veröffentlichungen, da ich in der Klinik bin. Es geht aber bald weiter - versprochen!
MiJo

Freitag, 23. September 2011

Ein Ausschnitt aus der ersten Geschichte - Jule -


Hoffentlich ist er heut zu besoffen, um noch mal die Treppe zu erklimmen. Hoffentlich bleibt er da unten liegen. Hoffentlich bricht er sich das Genick. Hoffentlich erstickt er an seinem Ekel.
Susanne erschrak. Wünschte sie sich das wirklich?! Ja, nein, ja!! Sofort ergriff sie wieder dieses Schuldgefühl. Dasselbe Gefühl, das sie hatte, wenn er schnaufend auf ihr lag. Plötzlich waren da die schweren Schritte auf der Treppe. Stufe für Stufe knarrte. Jetzt bloß weg hier. Wohin? Weg! Dröhnen im Kopf. Susanne lag im Bett und konnte sich nicht rühren. Schrei jetzt! Schrei!! Niemand wird dich hören. Und die dich hört, reagiert nicht. Ist taub, nicht wirklich, aber dafür. Die Klinke wird gedrückt. Endlich der Schrei!!
Susanne sitzt im Bett, nass und heiß fröstelnd. Da ist kein Atem mehr, nur ein zischender Blasebalg.
  Peter taumelt von seinem Kissen hoch.
„Mann, ich muss um fünf raus und du plärrst schon wieder die ganze Nachbarschaft zusammen!“
Sie schmiegte sich zitternd an ihn.
„Lass mich jetzt wenigstens noch ´ne Stunde pennen!“
Wieder allein auf dem Kissen.
„Verzeih!“
Susanne nahm ihr Bettzeug und ging ins Wohnzimmer.
„Schlaf schön mein Schatz.“ Peter brummte nur.
Sie hörte am Zimmer von Jule. Kein Geräusch, sie schlief.
Jule, was bekommt sie von all dem mit?
  Das Sofa war kalt. Susanne war kalt. Alles war kalt - wie immer.
Von Zeit zu Zeit beklagte sich Peter.
„Du bist ja gar nicht richtig feucht. Da reibt man sich ja das Ding wund!“
Auch ihr tat es weh. Aber darum ging es nicht. Um Susanne ging es nie. Das es sie überhaupt gab, fiel immer nur auf, wenn irgendetwas nicht richtig funktionierte; wenn sie nicht richtig funktionierte. Morgen ging sie wieder zum Therapeuten. Auch er wollte Susanne zum Funktionieren bringen. Aber warum muss man dann in dieser ganzen Scheiße wieder herum rühren? Sie hatte sogar ein Kind geboren, also funktionierte sie doch. Als Mutter ohnehin. Susanne war die perfekte Mutter. Nein sie war perfekter als perfekt. Das wusste sie ganz genau.
Jule wuchs behütet auf. Sie würde so etwas nie erleben. Dafür sorgte Susanne schon. Die Löwin hatte Krallen und scharfe Zähne. Da sollte nur einer kommen! Im Halbschlaf nahm sie die Klospülung war, dann die Tür.
Jetzt begann ihr Tag – ihr Tag mit Jule. Das war ein sich ständig wiederholendes Ritual: Kaffee, Zigarette, Frühstück machen, Jule wecken.
„Guten morgen mein Liebling.“
Brummen.
„Das Frühstück ist fertig.“
„Fuck!“
Die Tonlage wechselte von Dur ganz leicht nach Moll.
„Du kommst zu spät!“
„Na und!“
Das Rollo rasselte und schüttete eine Ladung grelles Licht auf Jule.

Mittwoch, 21. September 2011

RAUS - Geschichten aus der geschützten Abteilung


Vorwort




Geschichten über ferne Länder sind für uns faszinierend und fremd zugleich. Denken wir an Indien, dann fallen uns sofort dessen spirituelle Seite und vor allem die heiligen Kühe ein. Während von dem Ersteren noch eine gewisse Faszination ausgehen kann, ist den meisten Menschen unseres Kulturkreises die Verehrung der Tiere nur fremd. Heilige Kühe gibt es nur in Indien. So denken jedenfalls viele. In Indien wäre eine Handlung dagegen ein Tabubruch. Aber gibt es bei uns keine heiligen Kühe? Wir leben doch in einer aufgeklärten Demokratie. Bei uns gibt es keine Geheimnisse. Der Boulevard-Journalismus zerrt doch alles ans Tageslicht!
  So oder so ähnlich dachte ich auch einmal. Und das ist ja auch sehr beruhigend. Es nützt nur nicht viel, wenn die Beunruhigung nicht von außen kommt, nicht von den Medien sondern von der eigenen Seele. Auf meinem Weg durch die verschiedensten Therapien, Krankenhäuser, Psychiatrien und vor allem durch mein eigenes Leben, begegneten mir immer wieder heilige Kühe. Dort ran zu gehen ist ein Tabubruch, den die Gesellschaft (und das sind wohl auch wir selbst) nicht duldet. Da sind die vielen wohlsituierten Menschen mit scheinbar makelloser Vergangenheit, in den höchsten Positionen. Da ist die Mutter, die doch immer nur das Beste für ihre Tochter wollte und da sind der Vater und der Großvater, die sich an absolut nichts mehr erinnern können.
  Durch das öffentlich werden der unglaublichen Verfehlungen von Priestern oder Lehrern an ihren Schutzbefohlenen, durch die Skandale um vernachlässigte und zum Teil kläglich verhungerte Kinder und durch die öffentliche Verurteilung von Väter-Monstern, die Ihre Töchter einsperrten und mit ihnen Kinder zeugten ist es zumindest zu einem Thema geworden.
  Aber von einem offenen Umgang damit sind wir noch weit entfernt. Ich wage zu behaupten, dass der größte Teil davon noch im Dunkeln liegt. Und im Moment habe ich auch das Gefühl, dass die öffentliche Wahrnehmung auch kein weiteres Interesse daran hat. Nur wer durch seine eigene Geschichte oder vielmehr dem Aufbrechen der eigenen  Geschichte gezwungen wird, sich damit auseinanderzusetzen, kommt meistens nicht daran vorbei. Aber selbst dann greifen viele lieber zu einer Pille, um sich damit nicht ganz zu konfrontieren. Das mag therapeutisch im Einzelfall auch durchaus richtig sein, keine Frage. Aber gesellschaftlich steht uns diese Aufarbeitung noch bevor.
Möge dieses Buch ein kleiner Anstoß dazu sein.


MiJo

Geschützte Abteilung - warum dieser Titel?

Mein erstes Ebook - erschienen bei Amazon.

Hier mal die Kurzbeschreibung:


In drei Geschichten begegnen uns unterschiedliche Schicksale, die allerdings eines gemeinsam haben – sie funktionieren ab irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr richtig. Und so verschieden die kurzen Begegnungen mit ihnen enden, die Ursache für ihr scheinbares Versagen im Leben liegt in einer Zeit, an die sie sich kaum mehr erinnern können oder wollen. Ein brisantes Thema wird knapp mit sehr gegensätzlichen stilistischen Mitteln aufgegriffen; mal bewegend und schockierend, mal spätpubertär trotzig und dann wieder einfach nur den schwierig-schönen Alltag erzählend.

In den nächsten Tagen werde ich hier Ausschnitte daraus vorstellen. Dann kann man sich die Frage nach dem Titel vielleicht beantworten.

Ich blogge - also bin ich

Dieser Spruch ist nicht von mir, zugegeben. Ich hab auch keine Ahnung, warum ich das hier mache.
Aber mal im Ernst, bloggen muss man doch - oder? Schon gar, wenn man irgendetwas im diesem Internet veröffentlicht. So denke ich jedenfalls. Schon naiv.
Zumal ich ja kein junger Spund mehr bin. Werde in diesem Jahr, so ich es tatsächlich schaffe, schon sage und schreibe 52 (in Worten zweiundfünfzig) Jahre!

Wer bin ich eigentlich?
Natürlich ist Michael Johansen ein Pseudonym. Warum ich das verwende, kann ich ja später mal erklären.
Und warum mache ich das hier?
Ich hab ´ne Menge erlebt und einiges davon in Ebook-Form veröffentlicht.

Hier werde ich in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren oder auch Jahrmillionen dann Ausschnitte davon "posten" (so nennt man das wohl?).
Wer es sich absolut nicht verkneifen kann, sollte hin und wieder mal vorbei schauen.

MiJo